Ein Kleid für die Feenkönigin

Aus Airikas Traum
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Spielhintergrund: Dieser Artikel befasst sich mit dem fiktiven Land Siedland, das zum Rollenspiel-Hintergrund der LARP-Con-Reihe Airikas Traum gehört.

Die siedländische Geschichte "Ein Kleid für die Feenkönigin" erzählt, wie Ritter Leonhard von Färber angeblich das Geheimnis herausfand, wie man aus den Saphirschnecken blaue Farbe gewinnt. Der Geschichte nach färbte er Stoff für die Königin der Feen in den westlichen Wäldern und bekam das Rezept als Geschenk.

Ein Kleid für die Feenkönigin

(Siedländische Sage, OT geschrieben von Birgit Oppermann)


Eines Nachts im Winter kam der junge Leonhard Färber aus der Schänke und geriet auf dem Heimweg in einen Nebel, der ihn den Weg nach Hause nicht finden ließ. Er glaubte, im Nebel Gesang und Stimmen zu hören und folgte ihnen, bis er die Orientierung ganz verloren hatte. Als er merkte, dass er Weiler, sein Heimatdorf, schon längst verlassen hatte und in den Wiesen und Feldern herumirrte, ließ er sich verzagt nieder und betete zu den Schutzgöttern seiner Familie, dass sie ihn in der Kälte der Nacht behüteten und ihn den nächsten Morgen erleben ließen. Er fiel in tiefen Schlaf und erwachte erst, als ein seltsames grünliches Licht auf ihn fiel. Als er die Augen öffnete, stand vor ihm eine Frau von solcher Schönheit, dass Leonhard zu träumen glaubte. Trotz der Kälte war sie barfuß und trug nur ein hauchzartes grünes Kleid, von dem das Schimmern auszugehen schien, das Leonhard geweckt hatte. Wenn Leonhard später von der Fee erzählte, dann konnte er ihre Schönheit kaum in Worte fassen und seufzte vor Glück, sie getroffen zu haben.

„Du bist Leonhard Färber“, sagte die Fee und ihre Stimme war wie Gesang in Leonhards Ohren. „Man hört dich sagen, du könntest die schönsten Stoffe weit und breit färben. Ist das die Wahrheit?“ Leonhard beeilte sich, die Schönheit seiner Farben und Stoffe in den blumigsten Worten zu schildern, bis ihn die Frau unterbrach. „Meine Königin“, sagte sie, „findet Gefallen an den Menschen und an ihren Werken. Sie wünscht sich deinen schönsten Stoff, um sich daraus ein Kleid zu fertigen. Wenn du sie zufriedenstellen kannst, macht sie dich zum reichsten und berühmtesten Färber, den diese Insel je gesehen hat.“ Mit diesen Worten verschwand sie und mit ihr der Nebel, sodass Leonhard im Mondschein nach Hause finden konnte.

Er wählte den schönsten seiner Stoffe aus, ein Stück feinster Seide in leuchtendem Gelb, und ging in der nächsten Nacht wieder zu der Stelle, an der ihm die zauberhafte Frau erschienen war. Als der Mond aufgegangen war, stand auch die Fee wieder vor ihm, aber sie würdigte den Stoff kaum eines Blickes. „Du wagst es, mir einen Stoff zu bringen, den du für jemand anderen gefertigt hast?“, fragte sie erbost. „Meine Königin kann nur etwas tragen, das für sie allein gefärbt wurde.“ Und sie ließ Leonhard einfach stehen.

Zurück in seiner Färberei weckte Leonhard seine besten Arbeiter und hieß sie, noch in derselben Stunde mit der Arbeit an einem neuen Stoff zu beginnen. In den nächsten Tagen gönnte er ihnen nur wenig Ruhe und spornte sie mit Drohungen zu immer neuen Versuchen und zu noch besseren Leistungen an, bis er schließlich mit einem ihrer Stoffe zufrieden war. Die Seide leuchtete in lebhaften Rot- und Orangetönen, als wäre sie aus Feuer gemacht. In der folgenden Nacht ging Leonhard wieder in die Wiesen. Die Fee kam und bewunderte das Aussehen des Stoffs. Doch als sie ihn in die Hand nahm, ließ sie ihn fallen, als hätte sie sich an ihm verbrannt. „Wusstest du nicht“, sagte sie leise, „dass ein Geschenk für meine Königin in Liebe und Ehrfurcht, nicht in Schrecken und Angst hergestellt werden muss? Unser Handel ist gelöst, du hast mir zu viel versprochen.“ Leonhard fiel vor ihr auf die Knie und flehte, ihm noch einen letzten Versuch zu gewähren, diesmal würde er alles anders machen. Die Fee zögerte einen Moment, dann erfüllte sie ihm seine Bitte. Wie um den neuen Handel zu besiegeln, reichte sie ihm ihre Hand. Als Leonhard sie ergriff, sah er vor sich, was die Feenkönigin ihm versprochen hatte: Reichtum und Macht, Glück und Wohlstand. Er sah aber auch die vielen Menschen, denen er seinen Erfolg verdankte: seine Arbeiter und ihre Familien. Und er wusste plötzlich tief in seinem Herzen, dass er sie nicht vergessen durfte. Als er seinen Blick wieder hob, war die Fee verschwunden, aber Leonhard wusste jetzt, was er zu tun hatte.

Er kehrte in seine Färberei zurück und begann umgehend, an einem neuen Stoff zu arbeiten. Er fastete und betete, sang und dachte liebevolle Gedanken, während er den schönsten Stoff seines Lebens färbte. Wenn er Pausen machte, dann nur, um ein wenig zu ruhen und um zu veranlassen, dass an all seine Arbeiter Sonderzahlungen und Lebensmittel ausgegeben wurden. Man erkannte ihn kaum wieder und mancher flüsterte schon damals, es könne nur mit Zauberei zugegangen sein, dass Leonhard, der einst streng und unnachgiebig gewesen war, sich so verändert hatte. Schließlich hielt er den fertigen Stoff in der Hand, der ihm einer Feenkönigin würdig erschien. Er schimmerte in sanften Blau- und Fliedertönen und floss ihm so weich durch die Hände wie Wasser. Mit diesem Stoff kehrte Leonhard der Färber zum dritten Mal zurück zu dem Ort, an dem ihm die Fee begegnet war.

Diesmal war sie zufrieden und versprach, den Stoff ihrer Königin zu bringen. „Hier ist dein Lohn“, sagte sie und hielt ihm einen kleinen Gegenstand entgegen. Leonhard nahm ihn und erkannte eines der blauen Schneckenhäuser, wie sie zu Tausenden auf Siedland zu finden sind. Und im selben Moment wusste er, was er zu tun hatte. Die Fee verschwand auf Nimmerwiedersehen, doch das Wissen, das sie ihm hinterlassen hatte, veränderte Leonhards Leben.

Niemals zuvor hatte man auf Siedland Stoffe in so strahlendem Blau gesehen wie die, die Leonhard der Färber aus den Häusern der Saphirschnecken herstellte. Diese Stoffe waren würdig, von Königen getragen zu werden, und fanden viele Bewunderer bei den Bürgern von Wiegaldshafen und weit über die Insel hinaus. Wie es ihm die Fee versprochen hatte, wurde Leonhard der reichste und berühmteste Färber von ganz Siedland. Doch die Lektionen der Fee hatte er nie vergessen: Nie mehr vergaß er die Leistungen der einfachen Leute, und auch jetzt, wo er ein Ritter geworden ist, ist er in Nah und Fern bekannt für seine gerechten Schiedssprüche.

Lang lebe Leonhard von Färber und immer gedeihe sein Lehen um Neuweiler!

Von Schreiber Ehrenfried aus Neuweiler, aus dem Gefolge Leonhards